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15:00 Vortrag: “Radikaler Reformismus”
- Joachim Hirsch (links-netz.de / Frankfurt)

Dass der neoliberal gewendete Kapitalismus im Gegensatz zu seinen Verheißungen sich eher als ein globales Katastrophenprogramm erweist, wird immer deutlicher. Angesichts der herrschenden Zustände könnte man durchaus auf revolutionäre Gedanken kommen. Von Revolution ist heute selbst im linken Diskurs allerdings nicht mehr die Rede. Angesichts der Erfahrungen, die mit kommunistischen Revolutionen im 20. Jahrhundert gemacht wurden, hat dies seine Gründe. Indessen ist auch die sozialdemokratische Politik gescheitert, den Kapitalismus auf parlamentarisch-demokratischem Weg zu überwinden oder wenigstens „zivilisieren“ zu wollen. Dies legt es nahe, über Wege zu einer emanzipativen Gesellschaftsveränderung anders und neu nachzudenken.

Sowohl historische Erfahrungen als auch theoretische Einsichten zeigen, dass eine emanzipative Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse mittels der Staatsgewalt nicht möglich ist. Es muss vielmehr darum gehen, die grundlegenden gesellschaftlichen Strukturen umzuwälzen, aus denen Ausbeutung, Herrschaft und Unterdrückung hervorgehen. Dies betrifft nicht nur die Eigentumsverhältnisse, sondern auch die Formen der Arbeitsteilung, die Familien- und Geschlechterbeziehungen, das Verhältnis zur Natur, die Bewusstseinsinhalte, Wertvorstellungen und Konsumstile. Dazu bedarf es gesellschaftlicher Initiativen und Bewegungen, die neue gesellschaftliche Orientierungen und Praktiken entwickeln. Es geht um politisch-soziale Selbstorganisation unabhängig von den bestehenden Herrschaftsapparaten und darum, einen Politikbegriff zu praktizieren, der das „Politische“ am „Privaten“ zu seinem Gegenstand macht. Man kann dies als „radikalen Reformismus“ bezeichnen: „Reformismus“ deshalb, weil nicht staatliche Machtergreifung im Zentrum steht, „radikal“, weil auf die Wurzel der gesellschaftlichen Verhältnisse gezielt wird.

Der Erfolg kritischer sozialer Initiativen wie etwa der neueren globalisierungskritischen Bewegung wird davon abhängen, ob sich ihr Handeln in Auseinandersetzung mit oder in der Beeinflussung der Staatsapparate erschöpft, oder ob es in ihrem Kontext gelingt, sozialrevolutionäre Praktiken dieser Art zu entwickeln.